Housing, Wohnen, Interieur: Bauformen und Imaginationen kultureller Verortung

15.05.2015

DissertantInnenseminar WS2015/16

Leitung: Annegret Pelz (Institut für Germanistik), Kirsten Rüther (Institut für Afrikawissenschaften)

Die Begriffe Housing, Wohnen und Interieur prägen historisch und kulturell je unterschiedliche Vorstellungen von Innenräumlichkeiten aus: Das Housing meint einerseits das Arrangement von Gebäuden, Räumen und Flächen, innerhalb derer Arbeit verrichtet wird, privat oder in Gemeinschaft gelebt wird und die Bedürfnisse der Familie organisiert werden.

Im Kontext kolonialer Herrschaft werden über das Housing Machtungleichheiten dokumentiert, gelebt und gewohnt. Das moderne Wohnen andererseits ist der zentrale Begriff der europäischen Kultur- und Komfortgeschichte und das Interieur bezeichnet eine spezifisch raumästhetische Konstellation, die eine Poetik der Atmosphäre und der Dinge umfasst (Oesterle). Alle drei Begriffe bündeln zentrale Ausgangspunkte kulturtheoretischer und -historischer Überlegungen zur Frage der lebensweltlichen Orientierung im Raum. Sie schließen Möglichkeiten einer Weltbewältigung vom begrenzten Ort der Innenwelt (Kemp) auf, sie denken ein Ich eingebettet in eine Dialektik von Wohnen und Ungewöhnlichem, und sie erklären das Wohnen auch in Situationen von Migration und Exil zu etwas Primärem: Es ist die unverzichtbare Grundlage eines jeden Bewusstseins, ohne die ein Ich sich verlieren würde, denn die Einbettung in die Gewohnheit erst erlaubt, die Welt wahrzunehmen (Flusser).

Die Wohnung ist aber nicht nur der Ort, wo sich das bürgerliche Subjekt ein Gehäuse ausprägt, seine Spuren hinterlässt (Benjamin), sich in der Figur des Sammlers der Verdinglichung entgegenstellt und die Mechanismen der eigenen Entfremdung im Bild des inneren Orients (Sternberger) thematisiert. Die Wohnstube ist auch ein kolonisatorisches Modell für die Transformation von Ausland in Inland und für die Verwandlung der Fremde in die eigene Wohnstube (von Braun). Im kolonialen Kontext, der zudem oft durch christliche Missionierung gekennzeichnet war, wurden zudem westliche, christliche, zivilisatorische und moderne Vorstellungen über das Wohnen solchen Kulturen vorgelebt oder ihnen auch vorenthalten, die Wohnen und Interieur jeweils aus eigener Geschichte und eigener Kultur definierten.