Piraterie, Krise und Legitimität in Atlantisch-Amerikanischen Erzählungen, 1678-1865

Elise-Richter Projekt, FWF (2015-2018), FWF-Projektnr.: V-396-G23

Beteiligte Wissenschaftlerinnen

Website des Projekts

Interdisziplinäre Konferenz "Maritime Mobilities: Critical Reflections from the Humanities" 1.-2. Februar 2016, Universität Wien

Forschungsgebiete

Das Projekt untersucht die Konstruktion des Piraten in einer transatlantisch geprägten nordamerikanischen Literatur und Kultur vom späten 17. Jahrhundert bis zum Sezessionskrieg und fragt, auf welche Weise das kulturelle Imaginäre das ambivalente Potenzial des Piraten als Identifikations- und Alterisierungsfigur ausgelotet hat, um Vorstellungen von (Il)Legitimität zu artikulieren und zu verhandeln.

Historisch waren Piraten durch ihre zweifelhafte nationale, ethnische und sogar geschlechtliche Affiliationen und wechselnde Loyalitäten gekennzeichnet; dementsprechend waren politische Denker und Juristen quer durch die Jahrhunderte damit beschäftigt, den Piraten als Rechtssubjekt sowie den Status von Piraterie an sich völkerrechtlich festzuschreiben. Aufgrund dieser kategorialen Unzuordenbarkeiten wurden Piraten auch als mobile Figuren dazu verwendet, um die Legitimität konkurrierender bzw. in die Krise geratener Identitätskonstruktionen symbolisch zu verhandeln (z.B. britische Kolonie versus unabhängige Republik, oder Vereinigter versus geteilter, sklavenfreier versus sklavenhaltender Staaten während des Sezessionskriegs). Das Projekt versteht Piraterie als facettenreiche diskursive Kategorie, die sich in einem Kontinuum zwischen Propagierung (post-)kolonialen Abenteuers und Ausbeutung einerseits und kritischem Kommentar zur Gewalt und Unterdrückung andererseits bewegt.

Die Studie liest Piratenerzählungen als symptomatisch für den Stellenwert kultureller Aushandlungsprozesse in der Bewältigung diverser Krisenszenarien. Es soll zeigen, wie der Pirat während (zeitgenössisch konstatierter) Krisenzeiten mit (ent)legitimisierender Bedeutung aufgeladen wurde und damit, wie populärkulturelle Texte von einem Publikum jenseits gesellschaftlicher Eliten forderten, dringliche Legitimitätsfragen anhand des Piraten zu reflektieren – und damit am Diskurs um die amerikanische Zukunft teilzunehmen.

Verortung des Forschungsbereichs im Mobility-Diskurs

Mobilität untersucht das Projekt auf zwei Ebenen: einerseits auf der Darstellungsebene, indem es die jeweilige Konstruktion und Bewertung von PiratInnen als mobile maritime Figuren beleuchtet; die Texte werden dazu auf ihre Mobilitätsentwürfe hin untersucht. Andererseits sind PiratInnen auch auf einer kategorialen Metaebene mobil, als literarische und visuelle Diskurse PiratInnen als mobile Figuren bar jeder ontologischen Substanz vorführen, die erst im Kontext diverser Krisenszenarien – aufgrund ihrer bedeutenden Rolle in der kulturellen Konstruktion politischer (Il)Legitimität – mit Bedeutung aufgeladen werden.