A Global History of African Trade Union Education in 'East', 'West' and 'South'. (Im)Mobilities, Transfers and Exchanges during the Cold War 1960s.
Immanuel Harisch, BA BA MA MA
Supervisor: Univ.-Prof. Dr. Kirsten Rüther
Für die meisten jungen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent hatte der Ausbau des sozialistischen Weltsystems nach dem Zweiten Weltkrieg und der Zusammenbruch der europäischen Kolonialreiche in Afrika, der Ende der 1950er Jahre einsetzte, neue, meist staatlich regulierte Kanäle für die internationale Mobilität zwischen der "Zweiten" und der "Dritten" Welt bzw. "Ost" und "Süd" geschaffen (Schenck 2016; Burton 2016, 2017a; Matusevich 2012; Saint Martin et al. 2015; Storkmann 2012; Unfried 2016; van der Heyden et al. 1993, 1994).
Mobilität (und gleichsam die Bewegungsunfähigkeit, präsent durch den Begriff der Immobilität) nahm in Zeiten des globalen Systemkonflikts zwischen kommunistischen und kapitalistischen Gesellschaftsentwürfen eine zentrale Stellung ein und wurde für eine Reihe von AfrikanerInnen auf dem Kontinent zu einer gelebten Erfahrung (Schenck 2017: 59). Die afrikanische Gewerkschaftsbewegung und ihre GewerkschafterInnen nahmen seit spätestens den 1950er-Jahren einen wichtigen Platz in diesen überwiegend staatlich kontrollierten Mobilitätsregimen (Glick Schiller/Salazar 2013) ein. Der kommunistisch-orientierte Weltgewerkschaftsbund (WGB) und sein Rivale aus den kapitalistischen Industrieländern v. a. Westeuropas und Nordamerikas, der Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), bzw. die nationalen Gewerkschaftszentralen aus "Ost" und "West" warben mit Stipendien, Experteneinsätzen sowie materieller Unterstützung um Gewerkschaftszentralen auf dem afrikanischen Kontinent.
Was die afrikanischen Gewerkschaften und die gewerkschaftliche Bildung im In- und Ausland betrifft, so markierten die späten 1950er und 1960er Jahre eine Periode intensiver "Beschleunigung" und "Kompression", da die Gewerkschaftsbewegung innerhalb weniger Jahre eine Reihe entscheidender Perioden durchlief. Erstens waren afrikanische Gewerkschaften, die oft Hand in Hand mit den aufstrebenden nationalistischen Parteien gingen, durch ihre Wirkmächtigkeit an den wirtschaftlichen Knotenpunkten wie Häfen und Eisenbahnen ein wichtiger Akteur bei der Erlangung der politischen Unabhängigkeit von den Kolonialzentren; bald nahmen Gewerkschafter (sehr selten Gewerkschafterinnen) wichtige Positionen in den neu gebildeten afrikanischen Regierungen ein. Doch als afrikanische nationalistische Parteien ihre Macht immer stärker monopolisierten, wurden die Gewerkschaften entweder nach dem ghanaischen Modell in die herrschende Partei integriert oder bildeten einen wichtigen Flügel der Opposition gegen die herrschenden Eliten.
Im Feld der Gewerkschaftsbildung für afrikanische GewerkschafterInnen entstanden innerhalb weniger Jahre mit dem African Labour College des IBFG in Kampala (*1958), der Afrikanischen Arbeiteruniversität (Université ouvrière africaine) des WGB und der UGTAN in Conakry (*1960) und dem "Ausländerinstitut" für GewerkschafterInnen Afrikas und Asiens an der Fritz Heckert Gewerkschaftshochschule des ostdeutschen Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) in Bernau bei Berlin (*1960) neue Institutionen, die den großen Bedarf an gut ausgebildeten GewerkschaftsführerInnen und FunktionärInnen decken zu suchten.
Basierend auf multi-lokaler Archivforschung und ZeitzeugInnen-Interviews widme ich mich in meiner auf Englisch verfassten Dissertation den drei Gewerkschaftsschulen ("Arenen und Räume") als Orte der Bildung der Afrikanischen Gewerkschaftsbildung in einer komparativen Perspektive.
In dem Teil zu "Netzwerken, Transfers und Austauschprozessen" beleuchte ich die Zusammenhänge zwischen einer Vielzahl von Institutionen und Akteuren im Bereich der internationalen Gewerkschaftsbewegung undafrikanischen Gewerkschaften. Einen Fokus bilden die Aktivitäten von europäischen und afrikanischen Gewerkschafterinnen in im Feld der Gewerkschaftsbildung. Ein solches "West-Süd" Netzwerk, das sich kontinuierlich für bessere Rechte für weibliche Arbeiter und besseren Zugang zu Bildung für weibliche Gewerkschafterinnen einsetzte, war das Frauenkommittee des IBFG und der Internationalen Berufssekretariate (ITS).
Anhand des Studienaufenthaltes des ghanaischen Gewerkschafters J. A. Osei an der FDGB Gewerkschaftshochschule zeige ich auf, wie mobile afrikanische Gewerkschaftsführer während des Kalten Krieges Süd-Ost-Verbindungen pflegten und aufrechterhielten. Die persönliche Korrespondenz zwischen Osei als einem Alumnus des Bernauer Kollegs mit dem Direktor des Instituts offenbart einen produktiven und für beide Seiten vorteilhaften Austausch von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen zwischen Accra und Bernau.
Auf breiterer Ebene geht es mir darum zu zeigen wie intensiv die "globalen 1960er Jahre" der Ära des Kalten Krieges (Christiansen/Scarlett 2013) die Gestaltung von (Im-)Mobilitäten, Transfers und Austauschprozessen zwischen "Ost", "West" und "Süd" im Bereich der Gewerkschaften entscheidend geprägt. An der produktiven Schnittstelle zwischen den Forschungsfeldern der Globalgeschichte und Mobilitätsforschung angesiedelt, und das Zoomobjektiv auf den afrikanischen Kontinent gerichtet, zielt meine Forschung darauf ab, die vielfältigen Ver- und Entstrickungen aufzuzeigen, die im Bereich der Gewerkschaftsbildung für AfrikanerInnen während der 1960er Jahren entstanden sind.